[Auszug aus einem noch namenlosen Buchskript]
Die Dunkelheit wich dem schwachem Licht, welches durch seine geschlossenen Lider drang, und die mit der Ohnmacht einhergehende Gefühllösigkeit des Körpers der feuchten Kälte des Regens, die ihn zwangsläufig zum Zittern brachte. Der Schmerz fuhr ihm augenblicklich durch jede seiner Zellen und raubte ihm fast wieder die noch so labile Geistesanwesenheit. Seine Lungen brannten und verlangten nach einem tiefen Atemzug frischer Luft, doch seine Rippen mochten dieses Spiel nicht leiden und weigerten sich schlichtweg dagegen. Sie ließen nur ein leichtes, flaches Atmen zu. Die noch so flüchtige Konsistenz seines Verstandes ermöglichte kein Begreifen der Situation und erst recht keine Analyse des Herganges. Der pochende Druck im Inneren seines Schädels unterdrückte das endgültige Manifestieren seines Bewußtseins und zwang ihn weiterhin reglos im Dreck und sich am Boden sammelnden Regens liegen zu bleiben. Ein plötzlicher, heftiger Hustanfall, verursacht durch Blut in seinen Atemwegen, quälte ihn noch unsäglich lange Minuten. Er hatte die Wahl, endgültig wieder wegtreten und dabei Gefahr laufen, nie wieder wach zu werden, oder aber er sammelte die letzten Reste seines verbliebenden und zum Teil noch schlafenden Ichs zusammen, um sich irgendwann selbst vom Asphalt zu kratzen, denn langsam wurde ihm klar, dass es keiner für ihn würde übernehmen können. Wie immer in solchen Zeiten. Die vielen derartigen Foltereien hatten ihn abstumpfen, den Schmerz zu einen guten und zuverlässigen Weggefährten werden lassen. Nur war er davon überzeugt, daß sein Kumpane nie so allgegenwärtig präsent gewesen war, zwar hatte er das schon des öfteren gedacht, aber es gibt stets einen Moment, der alle bisherigen toppen würde.
Allmälich holte ihn die Realität vollends ein, erzählte ihm vom Hergang, teilte ihm die Umstände und seine derzeitige Lage mit. Er stöhnte im Versuch sich etwas Erlösung durch einen erneuten tiefen Atemzug zu verschaffen. Es mißlang. Langsam und widerstrebend nur öffnete er die Augen, petzte sie sofort wieder fest zusammen, das Gesicht verzog sich dabei wie von selbst zu einer Grimasse, da der Regen ihm das Blut einer klaffenden Platzwunde in die Augen trieb, die fürchterlich zu brennen begannen.
Er war das Ganze schon so leid. Egal was unternommen wurde, egal wie sehr man sich anstrengte, egal mit wem man sich verbündete, das Ergebnis war stets gleich niederschmetternd. Schon des öfteren sah er sich seinem Ziel schon so nahe und musste sich dann frustriert der Niederlage stellen. Durchhalten wurde schwierig. Das Leben war schwierig. Er besaß weder Nerven noch die Lust darauf. Wäre er alleine gewesen, hätte er wahrscheinlich sich schon längst vor lauter Überdruß das Leben auf irgendeine unspektakuläre Weise schon vor langer Zeit genommen. Aber er war ja nicht alleine, viele Menschen waren von ihm abhängig. Nicht alleine.
Dann widerfuhr es ihm wie ein Blitz. Gedanken der Erkenntnis schossen ihm durch den Kopf, die potentielle Gefahr, die der Kleinen Truppe drohte gab ihm Kraft, beziehungsweise den nötigen Willen sich aufzurappeln, jetzt ging es nicht mehr nur um ihn. Es ging im Grunde nie wirklich um ihn. Er merkte nicht, wie er vor Schmerzen ächzte, wie sich der ohnehin schon übermäßig rot gefärbte Asphalt sich von Neuem mit nichts anderem als seinem Blut verfärbte. Es rann ihm über das Gesicht, tropfte vom Kinn und Fingerspitzen. Der zerschmetterte rechte Arm bescherte ihm noch einige erfolglose Aufstehversuche ehe er endlich mehr oder minder stand. Er hob den Kopf gen Himmel, wollte dem Schmerz durch Brüllen Luft machen, verzog nur das Gesicht stattdessen, ließ den Regen das Blut aus den Augen waschen.
Die Ohnmacht nagte erneut an seinem Geist, erschwerte das Denken und vor allem das Überleben. Am liebsten hätte er ihr nachgegeben, sich einfach zum Sterben wieder auf die Straße gelegt, auf seinen ersehnten Erlöser, dem Tod gewartet. Er hätte es womöglich auch getan. [...]
Die Ungewissheit mutierte zum ebenbürtigen Gegner der Ohnmacht. Sein künstliches Bein funktionierte nicht mehr so wie es sollte, es machte das Gehen nahezu unmöglich, es gehorchte ihm nur sehr eingeschränkt. Er mußte sich beeilen, wenn er es noch schaffen wollte. Er mußte es schaffen. [...] Eine Mauer entlang der Straße, er war sich nicht sicher wo er sich befand, jedenfalls nicht mehr dort, wo er das Bewußtsein verlor, mußte ihm als Stütze dienen. Das Metall seines Beines scheuerte am Boden und entließ so ein jammern, das sich zum wimmern des Windes gelellte.
Er musste wieder husten, sich beugen und Blut erbrechen. Es stammte aus seiner Lunge und trat nicht nur auf diesem Wege zu Tage. Er frohr.
Nocheinmal folgte er dem Gedankengang von eben, [...] Er zwang sich zu einem weiteren quälenden Schritt, hob nebenbei seinen rechten Arm, der bei Weitem nicht mehr wie einer aussah. Der Anblick zwang ihn erneut zum Würgen, doch konnte er es gerade noch so unterdrücken. Nele... Wo war sie wohl jetzt? Er würde sie an einen besseren Ort bringen, sobald er sie fand. Er ging mehrere Orte in Gedanken durch, und dann ihre letzten Schritte, um nachvollziehen zu können, wo sie sich befinden konnte. Das Grübeln ließ ihn für einen Moment die Schmerzen vergessen, bis ihm ihr allerletzter Schritt einfiel. Sie war tot! Wie konnte er das vergessen? [...] Die Übelkeit nahm sich ihren Begleiter, das Schwindelgefühl zur Hilfe und brachte ihn damit zu Fall, er würgte und erbrach erneut Blut, dann wurde es wieder schwarz um ihn.